Pflegekraft, Pflegefehler, Pflegeeinrichtung, Krankenhaus, Betreuungseinrichtung, Medizinrecht, Medizinstrafrecht, Fehlbehandlung

Wenn medizinisches Personal nicht hilft: So zeigen Sie unterlassene Hilfeleistung richtig an

Themen: , , ,

Wenn medizinisches Personal in einer akuten Notlage nicht eingreift, kann das schwerwiegende Folgen haben. Doch was tun, wenn der Verdacht besteht, dass notwendige Hilfe unterlassen wurde? Dieser Artikel erklärt, wie Sie richtig vorgehen, welche Rechte Sie haben und worauf Sie unbedingt achten sollten.

Was bedeutet „unterlassene Hilfeleistung“?

Der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung ist im Strafgesetzbuch geregelt. Demnach macht sich strafbar, wer bei Unglücksfällen oder in Notlagen keine Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und zumutbar wäre. Für medizinisches Personal gelten dabei besondere Maßstäbe: Sie sind aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und Verantwortung in vielen Fällen zur Hilfe verpflichtet – auch über das Maß hinaus, das für Laien gilt.

Beispielhafte Fälle:

  • Ein Notfallpatient wird trotz akuter Beschwerden nicht untersucht oder behandelt.
  • Ein Suizidversuch wird ignoriert, obwohl medizinisches Personal anwesend ist.
  • Eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands bleibt unbeachtet.

Rechte der Angehörigen und Betroffenen

Wenn Sie als Angehöriger oder direkt Betroffener eine unterlassene Hilfeleistung vermuten, stehen Ihnen verschiedene Rechte zu:

  • Einsicht in die Patientenakte: Nach dem Patientenrechtegesetz haben Sie Anspruch auf Einsicht in die medizinischen Unterlagen, sofern Sie dazu berechtigt sind (z. B. als gesetzlicher Vertreter oder Erbe).
  • Beschwerde bei der Ärztekammer oder dem Patientenfürsprecher: Viele Kliniken haben interne Beschwerdestellen, die erste Anlaufstelle sein können.
  • Recht auf Information: Sie dürfen Auskunft über den Behandlungsverlauf und die verantwortlichen Personen verlangen, sofern keine Datenschutzrechte Dritter entgegenstehen.

Diese Rechte sind essenziell, um den Sachverhalt aufzuklären und ggf. eine Anzeige vorzubereiten.

Wann liegt eine strafbare Handlung vor?

Nicht jede unterlassene Handlung ist automatisch strafbar. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Ein Unglücksfall oder eine akute Notlage muss vorliegen.
  • Hilfe wäre möglich und zumutbar gewesen – also ohne erhebliche Eigengefährdung oder Verletzung anderer Pflichten.
  • Die unterlassene Hilfe muss kausal für eine Verschlechterung oder den Tod gewesen sein.

Gerade im medizinischen Bereich ist die Beurteilung komplex. Überfüllte Notaufnahmen oder organisatorische Engpässe können eine Rolle spielen – sind aber nicht immer eine Entschuldigung.

Pflichten und Grenzen medizinischen Personals

Medizinisches Personal unterliegt einer sogenannten Garantenpflicht: Sie sind verpflichtet, in bestimmten Situationen aktiv zu helfen. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Berufsstand, dem Behandlungsvertrag und der konkreten Situation.

Wichtig zu wissen:

  • Ein Arzt auf Bereitschaft oder eine Pflegekraft auf Station kann nicht einfach wegsehen, wenn ein Patient in akuter Lebensgefahr schwebt.
  • Die Hilfe muss jedoch zumutbar sein – eine erhebliche Eigengefährdung oder das Verlassen anderer Patienten kann die Pflicht einschränken.
  • Auch organisatorische Zwänge (z. B. Personalmangel) entbinden nicht automatisch von der Verantwortung.

Die Abgrenzung ist oft schwierig und muss im Einzelfall geprüft werden.

So machen Sie es richtig: Anzeige erstatten

Wenn Sie den Verdacht haben, dass medizinisches Personal eine Hilfeleistung unterlassen hat, gehen Sie wie folgt vor:

1. Sachverhalt dokumentieren:

  • Notieren Sie Datum, Uhrzeit und Ort des Vorfalls.
  • Halten Sie Namen von beteiligten Personen fest (Ärzte, Pflegekräfte, Zeugen).
  • Sichern Sie medizinische Unterlagen, falls vorhanden.

2. Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft:

  • Die Anzeige kann formlos erfolgen – schriftlich oder mündlich.
  • Wichtig: Die Anzeige muss sich auf konkrete Personen beziehen, nicht pauschal auf das Krankenhaus.

3. Ergänzende Schritte:

  • Lassen Sie die Krankenakte prüfen – idealerweise durch einen Anwalt oder medizinischen Gutachter.
  • Ziehen Sie ggf. die Ärztekammer oder Patientenombudsstelle hinzu.

Zivilrechtliche Ansprüche neben der Strafanzeige

Neben der strafrechtlichen Verfolgung können auch zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden:

  • Schmerzensgeld: Bei körperlichen oder seelischen Schäden durch unterlassene Hilfeleistung.
  • Schadensersatz: Für Folgekosten wie zusätzliche Behandlungen, Verdienstausfall oder Pflegebedarf.
  • Hinterbliebenengeld: Bei Todesfällen können nahe Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche geltend machen.

Diese Ansprüche müssen gesondert vor einem Zivilgericht geltend gemacht werden und erfordern in der Regel anwaltliche Unterstützung.

Verjährungsfristen beachten

Wer rechtlich gegen unterlassene Hilfeleistung vorgehen will, sollte die geltenden Fristen kennen:

  • Strafrechtlich: Die Verjährung beträgt in der Regel drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Tat.
  • Zivilrechtlich: Auch hier gilt eine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Kenntnis von Schaden und Schädiger.

Tipp: Dokumentieren Sie den Vorfall möglichst zeitnah und holen Sie frühzeitig rechtlichen Rat ein, um keine Fristen zu versäumen.

Häufige Missverständnisse und rechtliche Stolperfallen

„Das Krankenhaus ist schuld“ – nicht ganz: Eine Anzeige muss sich auf natürliche Personen richten. Institutionen wie Kliniken sind keine Täter im strafrechtlichen Sinne.

„Es war doch nur ein organisatorisches Problem“ – nicht immer relevant: Auch bei Personalmangel oder Stresssituationen kann eine unterlassene Hilfeleistung strafbar sein, wenn die medizinische Notlage offensichtlich war.

„Ich habe keine Beweise“ – trotzdem handeln: Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht zu ermitteln. Ihre Anzeige kann den Stein ins Rollen bringen.

Das sollten Sie wissen

  • Die unterlassene Hilfeleistung ist ein sogenanntes „echtes Unterlassungsdelikt“ – es wird also das Nicht-Handeln bestraft.
  • Die Strafe kann bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe betragen.
  • Auch das Behindern von Hilfeleistenden ist strafbar.

Fazit

Unterlassene Hilfeleistung durch medizinisches Personal ist kein Kavaliersdelikt – sie kann strafbar sein und schwerwiegende Folgen haben. Wer betroffen ist, sollte seine Rechte kennen, Beweise sichern und rechtlich fundiert vorgehen. Eine Anzeige kann helfen, Verantwortung einzufordern und künftige Versäumnisse zu verhindern.

Wenn Sie unsicher sind, ob eine Anzeige Aussicht auf Erfolg hat oder wie Sie vorgehen sollen, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf. Ich unterstütze Sie bei der rechtlichen Bewertung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche.


Über die Autorin

Anja Jäger

Mein Name ist Anja Jäger. Meine rechtlichen Schwerpunkte liegen in den Rechtsgebieten Erbrecht sowie Verwaltungsrecht, in letzterem habe ich 2023 den Fachanwaltslehrgang erfolgreich absolviert (theor. Vor. Fachanwalt für Verwaltungsrecht). Darüber hinaus unterstütze ich Sie selbstverständlich in jeglichen weiteren Anliegen rechtlicher Natur. Überregional bin ich für Sie im Einsatz, um mit Ihnen gemeinsam Ihre rechtlichen Herausforderungen kompetent zu meistern.