1. Internationales Erbrecht und die EU-Erbrechtsverordnung
In der EU regelt die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Erbrecht. Grundsätzlich gilt:
- Maßgeblich ist das Recht des Landes, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
- Alternativ kann der Erblasser das Erbrecht seines Herkunftslandes durch eine Verfügung von Todes wegen wählen.
Diese Regelung sorgt für mehr Klarheit und Einheitlichkeit, doch außerhalb der EU gelten oft andere Vorschriften. In solchen Fällen können bilaterale Verträge oder nationale Regelungen entscheidend sein.
2. Internationale Testamente – Was ist zu beachten?
Ein Testament mit Auslandsbezug muss besonderen Anforderungen genügen, damit es in mehreren Ländern anerkannt wird:
- Formvorschriften: Ein handschriftliches Testament mag in Deutschland gültig sein, aber nicht unbedingt in anderen Staaten. Einige Länder verlangen eine notarielle Beurkundung.
- Sprachliche Verständlichkeit: Ein Testament in einer Fremdsprache sollte professionell übersetzt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Kollisionsrisiken: In manchen Ländern gelten Pflichtteilsansprüche, die nicht mit deutschem Recht übereinstimmen – eine Rechtswahl kann Klarheit schaffen.
3. Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ)
Um die Abwicklung eines Nachlasses mit Auslandsbezug zu erleichtern, gibt es das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Es dient als Nachweis der Erbenstellung und Berechtigung zur Verwaltung des Nachlasses in einem anderen EU-Land. Vorteile des ENZ:
- Einheitliches Dokument, das in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird
- Erleichtert den Zugang zu Bankkonten oder Immobilien im Ausland
- Kann bei dem Nachlassgericht beantragt werden, das für den Erbfall zuständig ist
Wichtig: Das ENZ ersetzt nicht die nationale Erbbescheinigung, sondern stellt eine zusätzliche Möglichkeit dar.
4. Beschränkter Erbschein – Was bedeutet das?
Während das ENZ nur innerhalb der EU gültig ist, kann bei internationalen Erbfällen außerhalb der EU ein beschränkter Erbschein notwendig sein. Dieser wird ausgestellt, wenn sich Vermögenswerte in verschiedenen Ländern befinden und deren Erbrecht unterschiedliche Anforderungen an die Erbfolge und Nachweisdokumente stellt.
Ein beschränkter Erbschein kann sich zum Beispiel auf eine bestimmte Immobilie oder ein Bankkonto beziehen, wenn für die gesamte Erbmasse unterschiedliche nationale Regelungen greifen.
5. Immobilien im Ausland: Besondere Herausforderungen
Wenn der Nachlass Immobilien im Ausland umfasst, kann dies die Abwicklung erheblich erschweren:
- Erbrecht des jeweiligen Landes beachten – In einigen Staaten gelten Sonderregelungen für Immobilienerbschaften.
- Steuerliche Unterschiede – In manchen Ländern sind hohe Erbschaftssteuern auf Immobilien fällig.
- Verwaltung und Verkauf – Ein Erbe kann gezwungen sein, vor Ort einen Bevollmächtigten oder Anwalt einzuschalten, um das Objekt zu verwalten oder zu verkaufen.
6. Bankkonten und Finanzwerte im Ausland
Internationale Bankkonten unterliegen oft spezifischen Regularien:
- Banken können eine nationale Erbbescheinigung oder ein Europäisches Nachlasszeugnis verlangen.
- Geld kann erst ausgezahlt werden, wenn die rechtmäßige Erbfolge geklärt ist.
- Manche Länder blockieren Konten automatisch, bis der Nachlass geregelt ist.
7. Steuerliche Aspekte bei grenzüberschreitender Erbschaft
Ein internationaler Erbfall kann auch steuerliche Fragen aufwerfen, denn jedes Land hat eigene Regeln zur Erbschafts- oder Nachlasssteuer. Dabei gilt:
- Möglicherweise unterliegt die Erbschaft in mehreren Ländern einer Steuerpflicht.
- Doppelbesteuerungsabkommen können verhindern, dass in zwei Staaten Steuern gezahlt werden müssen.
- Erben sollten prüfen, welche Fristen für Steuererklärungen gelten, um unnötige Zahlungen zu vermeiden.
8. Nachlassabwicklung und Vollmachten
Die Durchsetzung von Erbansprüchen in einem anderen Land kann kompliziert sein. Eine internationale Vollmacht kann hilfreich sein:
- Generalvollmacht für eine Person, die sich vor Ort um die Abwicklung kümmert.
- Rechtsanwalt im jeweiligen Land beauftragen, um rechtliche Hürden zu minimieren.
9. Praktische Tipps für eine reibungslose Abwicklung
- Insb. in komplexen Fällen frühzeitig prüfen, ob eine Rechtswahl sinnvoll ist
- Testament klar und rechtsgültig verfassen
- Wichtige Dokumente wie Geburtsurkunden, Testamente oder Vollmachten übersetzen lassen
- Steuerliche Konsequenzen rechtzeitig klären
10. Fazit
Eine grenzüberschreitende Erbschaft kann schnell kompliziert werden. Doch mit einer frühzeitigen Planung und einer durchdachten Regelung lassen sich viele rechtliche und praktische Probleme vermeiden. Wer ein Testament mit internationalem Bezug aufsetzt, sollte auf eine klare Rechtswahl achten und sich gegebenenfalls beraten lassen, um spätere Unsicherheiten zu umgehen.
Auch nach dem Erbfall gibt es viele Aspekte zu beachten – von der Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses bis hin zu steuerlichen Pflichten. Eine professionelle rechtliche Unterstützung kann helfen, den Nachlass reibungslos abzuwickeln und unerwartete Hürden zu vermeiden. Zögern Sie nicht, sich von uns hierzu beraten zu lassen.



